Ein Plädoyer für die Annäherung von Konfrontativer Pädagogik und Sozialarbeit:
Konfrontative Gesprächsführung als Element der Beratung und Betreuung in der Jugendhilfe
(Ein Beitrag von Dagmar Cordes)
Wenn die aktuelle Nachfrage für Fortbildungen zur Konfrontativen Pädagogik als Indikator genommen werden kann, dann gibt es innerhalb der pädagogischen Arbeit einen großen Bedarf an Methoden für den Umgang mit „schwierigen, aggressiven und unkooperativen KlientenInnen“. Vor allem im Kontext der sozialpädagogischen Arbeit mit mehrfach auffälligen, gewaltbereiten Kindern und Jugendlichen scheint sich mittlerweile das Konzept der Konfrontativen Pädagogik als sinnvolle Ergänzung zum klassischen pädagogischen Handeln zu bewähren. Der Begriff „Konfrontative Pädagogik“ umschreibt dabei nicht eine für sich geschlossene Theorie, sondern bezeichnet einen pädagogischen Handlungsstil, bei der die Konfrontation als eine von zahlreichen Interventionsformen eingesetzt wird. Das Anti-Aggressivitätstraining (AAT) und das Coolness Training (CT) sind in diesem Zusammenhang wohl die bekanntesten Methoden1.
Jedoch trotz des starken Interesses seitens der Praktiker, sind das Konzept, die Techniken und Verfahrensweisen der Konfrontativen Pädagogik in der Fachdebatte nicht unumstritten. Denn mit der Begeisterung für diesen neuen Ansatz wächst auch die Besorgnis mancher Fachkräfte, die in dieser Pädagogik ein Wieder-Erstarken überholter, autokratischer, ja gar militaristischer Erziehungsmuster sehen. Verfolgt man die Berichterstattung in Presse, Hörfunk und Fernsehen, ist diese Beunruhigung durchaus nachvollziehbar. Oft wird hier die Konfrontative Pädagogik auf die Durchführung von „heißen Stühlen“2 reduziert, was isoliert betrachtet in der Tat als provokative „Gehirnwäsche“ anmuten kann.
Immer wieder wird das Konzept in der Öffentlichkeit auch mit „Schwarzer Pädagogik“ in Verbindung gebracht und eine Fachkraft, die sich zu ihrem konfrontativen Stil bekennt, wird leicht von FachkollegenInnen angegriffen und muss sich rechtfertigen.
Frage: Was ist grundsätzlich dran an den Vorbehalten und Vorwürfen gegenüber der Konfrontativen Pädagogik?
Antwort: Besinnt man sich auf die Wurzeln und Grundlagen der Konfrontativen Pädagogik, wird schnell deutlich, dass dieses Konzept etwas anderes ist als vordergründig lediglich eine aggressiv-abwertende Konfrontation der KlientenInnen mit ihrem Fehlverhalten bzw. eine
defizitorientierte Behandlungspädagogik.
Der Konfrontative Handlungsstil wird dann eingesetzt, wenn ein/-e KlientIn mehrfach oder massiv gegen getroffene Vereinbarungen und gesetzte Grenzen verstößt oder mit nachhaltigen Vermeidungsstrategien reagiert. Diese klaren Grenzen werden spätestens dann und dort notwendigerweise gezogen, wo dem jungen Menschen eindeutig Gefahren drohen, wo ohne solche Grenzziehung Menschen verletzt, geplagt, gekränkt würden oder wo sie durch das gemeinschaftliche Leben bzw. die gemeinsame Sitte bestimmt sind3.
Oberstes Prinzip der Konfrontativen Pädagogik ist aber die Akzeptanz der Person bei eindeutiger Verurteilung seines Fehlverhaltens und seiner Taten. In diesem Zusammenhang wird der Klarheit und Authentizität im Handeln, sowie der positiv wirkenden Autorität der
betreuenden Fachkraft große Bedeutung beigemessen.
Der Konfrontative Handlungsstil ähnelt und bezieht sich insbesondere auf den von Diana Baumrind formulierten „autoritativen Erziehungsstil“4. Autoritative ErzieherInnen zeichnen sich durch emotionale Wärme und Zuwendung aus, bieten innerhalb klarer Strukturen
entwicklungsgerechte Aufgaben und Herausforderungen an, wobei sie dem Kind Autonomie einräumen, soweit dies möglich ist, und Anpassung fordern, wo diese geboten ist. Grenzen werden klar formuliert und Grenzverletzungen eindeutig beantwortet.
Auch Jens Weidner5 beschreibt als wesentliche Grundlage gelingender Konfrontation zum einen die Bedeutung der Erzieherpersönlichkeit. Diese setzt sich zusammen aus 80% einfühlendem, verständnisvollem, non-direktivem und verzeihendem Erzieherverhalten und 20% Konfliktfähigkeit, die Bereitschaft, Grenzen zu ziehen und dem „Biss“ auf deren Einhaltung zu bestehen. Zum Zweiten ist das von der Fachkraft formulierte Beziehungsangebot an den /die KlientenIn laut Weidner entscheidend. Damit vom Klienten eine klare und deutliche Konfrontation mit seinem Fehlverhalten angenommen werden kann, muss die pädagogische Beziehung zwischen Helfer und KlientenIn in der Konfrontativen Pädagogik sich auf Akzeptanz und Respekt gegenüber den beteiligten Personen gründen. Diese Akzeptanz und der Respekt beziehen sich auf die Person des/der KlientenIn, aber nicht auf das von ihm gezeigte, dissoziale Verhalten. Dem Helfer geht es darum, das dissoziale Verhalten des /der KlientenIn zu verstehen, ihm dieses Verständnis im Sinne eines
Erklärungszusammenhangs zu vermitteln, gleichzeitig aber klarzustellen, dass Verstehen nicht gleichbedeutend ist mit Einverstanden-Sein.
Insofern ist der Konfrontative Handlungsstil in seinen Grundlagen durchaus kompatibel mit dem üblicherweise favorisierten, akzeptierenden, ressourcenorientierten Ansatz. Er stellt nicht eine Alternative dazu dar, sondern ist eine Ergänzung, nämlich dann, wenn verständnisvolle, erklärende, auffordernde Interventionen keine positive Wirkung mehr zeigen. Diese Ergänzung besteht in einem sehr klaren, bewussten und systematischen Setzen von Grenzen, sowie zeitnahen Konsequenzen, wenn diese überschritten werden. Das erwünschte Verhalten wird dabei konsequent und immer wieder eingefordert. Die wertschätzende Grundhaltung der Person gegenüber bleibt dabei jedoch unversehrt.
Betrachtet man also den allfälligen Diskurs ‚Akzeptierende Pädagogik versus Konfrontative Pädagogik’, so kann man in dieser Auseinandersetzung durchaus Ähnlichkeiten mit anderen Disziplinen entdecken, bei denen es um die Richtigkeit der korrekten Sicht- und Herangehensweise zu gehen scheint. Man denke beispielsweise an den alten Konflikt zwischen dem Wert der Schulmedizin und dem der alternativen Heilverfahren. Einige Mediziner haben aber bereits gelernt, dass vielmehr das gut ist, was heilt; deshalb wendensie das an, was die gewünschte Wirkung ohne das gleichzeitige Auftreten von unerwünschten Nebenwirkungen zeigt. Dabei spielt es weniger eine Rolle, welcher „Schule“ die gewählte Behandlungsmethode zuzurechnen ist.
Gibt man also auch in der Pädagogik die Ausschließlichkeit der beiden Ansätze auf, eröffnet sich ein breites Spektrum an Möglichkeiten einzelne konfrontative Techniken – wie beispielsweise die Konfrontative Gesprächsführung – in verschiedenen Handlungssituationen
der Jugendhilfe nutzbringend einzusetzen. Dabei geht es nicht darum, dass – jenseits des Anti-Aggressivitätstrainings und des Coolness Trainings – das Konfrontieren eines/-r KlienteInn mit seinem Fehlverhalten oder seiner Grenzverletzung ein innovativer Ansatz in der
Jugendhilfe wäre. Er wird lediglich bisher nur selten strukturiert angewendet und konsequent nachverfolgt.
Frage: In welchen Beratungs- und Betreuungssituationen der Jugendhilfe kann das Konzept der Konfrontativen Gesprächsführung nutzbringend eingesetzt werden?
Antwort:
Das Konzept der Konfrontativen Gesprächsführung kann grundsätzlich in den unterschiedlichsten, vor allem aber in den Beratungs- und Betreuungssituationen der Jugendhilfe in Frage kommen, die nur bedingt freiwillig bzw. unfreiwillig in Anspruch genommen werden. Diese Behauptung wird von der Hypothese gestützt, dass in diesen Konstellationen häufiger mit Widerstand und persistierenden Vermeidungsstrategien auf Forderungen reagiert wird und allein empathisches, einfühlsames Verstehen oft nicht
ausreicht, um Verhaltensänderungen zu bewirken.
Zum einen kann die Konfrontative Gesprächsführung also in der Betreuungsarbeit eines jungen Menschen hilfreich sein, der beispielsweise nachhaltig sein gewaltbereites Verhalten verharmlost und die dramatischen Folgen seines Verhaltens für andere bagatellisiert.
Eine Konfrontative Gesprächsführung kann aber ebenso in Gesprächen mit Eltern angebracht sein, wenn diese fortwährend ihre eigene Situation über die ihrer Kinder stellen und deren Bedürfnisse nicht mehr realistisch wahrnehmen können (aus hilflosen Kindern werden kleine übermächtige Monster, die das Leben der Eltern zur Hölle machen).
Auch in Fällen von „häuslicher Gewalt“ kann eine Konfrontative Gesprächsführung unter Umständen angezeigt sein, wenn das Ausmaß der gewalttätigen Handlungen und Beziehungen von den TäternInnen heruntergespielt oder gar geleugnet wird.
So kann es durchaus unterschiedliche Fälle und Konstellationen in der Jugendhilfe geben, bei denen es notwendig sein kann, konfrontierend zu arbeiten. Ausschlaggebendes Kriterium für den Einsatz der Konfrontativen Gesprächsführung ist, dass die alleinig akzeptierende und einfühlende Haltung eines Helfers, dem Klienten keine neuen Erkenntnisse mehr bringen und ihn nicht mehr zu neuen konstruktiven Handlungsentschlüssen veranlassen, obwohl diese geboten wären. Die Notwendigkeit zur Einsicht und/oder Verhaltensänderung des Klienten kann sich – wie oben beispielhaft genannt – aus erzieherischen Gründen oder aber auch aus dem Schutz des Kindeswohles speisen.
Gegenstand der Konfrontation sind die Vermeidungsstrategien der KlientenInnen, die sie daran hindern sich mit den geforderten Verhaltensveränderungen auseinanderzusetzen, wie:
- ihr Entziehungs- und (Ver-)Weigerungsverhalten bzw. ihre Passivität; ein Verhalten, das beispielsweise wahrnehmbar wird durch ein Nicht-Einhalten von Terminen, durch die Nicht-Erledigung von Aufgaben trotz getroffener Vereinbarung oder wenn der/die KlientIn wiederholt alkoholisiert zu Sitzungen erscheint und somit nicht gesprächsfähig ist, u.v.m.,
- ihre Rechtfertigungsstrategien und Neutralisierungstechniken; dies kann dann der Fallsein, wenn ein/-e KlientIn seine Gewalt gegenüber einem Kind als natürliche Konsequenz auf das Verhalten des Kindes bezeichnet oder wenn er/sie beispielsweise bei schwersten Beleidigungen anführt, dass diese Art der Kommunikation in seiner/ihrer Lebensumgebung ganz normal sei.
- ihre realitätsfernen Vorstellungen und Einschätzungen über eigene Möglichkeiten und Grenzen; dies ist dann zu vermuten, wenn zum Beispiel ein suchtmittelabhängiger Jugendlicher erklärt, er könne jederzeit auf den Konsum von Suchtmitteln verzichten, wenn er es nur wirklich wolle.
- ihre Fehlinterpretation und Fehleinschätzung der Haltungen und Erwartungen Dritter; das kann möglich sein, wenn beispielsweise ein Vater in einem Trennungsverfahren behauptet, das Kind wünsche sich keinen Kontakt zu seiner Mutter mehr, weil das Kind jedes Mal weint, wenn es von einem Besuch der Mutter kommt.
Frage: Wie genau ist ein Konfrontatives Gespräch aufgebaut?
Antwort:
Fachkräfte wissen, dass sie möglichst schon im Vorfeld der Beratung einen Beratungs- oder Betreuungskontakt mit dem/der KlientenIn formulieren und verbindlich machen sollten. Sozialpädagogische Fachkräfte, die mit der Konfrontativen Gesprächsführung arbeiten,
sollten dieses Vorgehen bereits im Betreuungskontrakt mit anführen und in konkrete Verhaltensvereinbarungen umsetzen. Grundsätzlich gilt, dass der Klient mit der Konfrontation einverstanden sein muss. Aber eben grundsätzlich und nicht in jeder Sitzung wieder neu. Trotz dieser Grundsätzlichkeit muss es dem/der KlientenIn möglich sein, Konfrontationen, die er auf keinen Fall länger aushalten kann, zu unterbrechen oder, als letzte Möglichkeit, auch vollends abzubrechen. Besteht diese Möglichkeit prinzipiell nicht, dann wird die Konfrontation vom/von KlientenIn vielmehr als destruktive und geringschätzende Provokation, denn als Erkenntnisgewinn erlebt werden.
Hier wandert die Fachkraft auf dem schmalen Grad zwischen Vermeidungsstrategien der KlientenIn nachzugeben und tatsächlich existenzielle psychische Not und Bedrängnis zu übergehen. Im Beratungs- oder Betreuungskontrakt sollte man deshalb dazu klare
Regelungen treffen und diese der KlientenIn erklären:
„Als Berater möchte ich nicht hinter Deinem Rücken über Dich sprechen, sondern mit Dir. Ich möchte Dir sagen dürfen, wenn ich etwas an Dir zu kritisieren habe, wenn mich etwas an Dir stört oder ärgert oder erschreckt. Ich erwarte, dass Du Dir das anhörst. Wenn ich dabei zu grob werde, darfst Du Dich bei mir darüber beschweren und verlangen, dass ich vorsichtiger mit Dir umgehe. Aber in der Sache muss ich Dir sagen können, worum es mir geht. Wenn es einmal eine Situation gibt, in der Du das wirklich überhaupt nicht aushalten kann, darfst Du die Sitzung unterbrechen. Du musst mir aber zusichern, dass Du nicht gehst, ohne mir noch zu erklären, warum Du glaubst jetzt unbedingt gehen zu müssen. Die Sitzung ist erst beendet, wenn wir verbindlich einen neuen Termin festgelegt haben (und evtl. überlegt haben, wie wir da weitermachen).“
Die konkrete Auseinandersetzung im Konfrontativen Gespräch verläuft in fünf Schritten.
1. Schritt | 2. Schritt | 3. Schritt |
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4. Schritt | 5. Schritt |
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Erster Schritt
Der erste Gesprächsabschnitt stellt die Konfrontation mit der genauen Schilderung des Problems aus Sicht des/der KlientenIn in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Um zu vermeiden, dass der/die KlientIn sich hier bereits in Verallgemeinerungen und Generalisierungen verliert, verlangt der/die BeraterIn zunächst eine Partialisierung des Problems: Er sucht mit dem/der KlientenIn eine konkrete Situation heraus, die als typisch für die problematische Situation oder das problematisches Verhalten gelten kann oder sogar besonders dramatisch erlebt wurde. Der/die BeraterIn kann dem/der KlientenIn die Wahl der Situation selbst überlassen. Es kann aber auch sein, dass die Fachkraft gute Gründe hat, selbst eine Situation des /derKlientenIn einzubringen und darauf zu bestehen, diese zum Gegenstand der Sitzung zu machen. Zum Abschluss des ersten Schritts im Konfrontativen Gespräch formuliert die Fachkraft noch mal genau, welche Situation im folgenden besprochen wird. Beispielsweise fasst ein Jugendsozialarbeiter an einer Hauptschule die Diskussion folgendermaßen zusammen:
„Ich halte noch mal fest, wir sprechen jetzt über den Vorfall gestern in der zweiten Stunde bei deinem Lehrer Herrn Meier und schauen uns an, wie du dich vor ihm aufgebaut hast und ihm damit gedroht hast.“
Zweiter Schritt
Im zweiten Schritt der Konfrontation geht es darum, sich mit der festgelegten Situation und den Emotionen, die in dieser Situation aufgetreten sind, auseinanderzusetzen. Zuerst wird die genaue Sachlage der damaligen Situation erhoben. Dabei werden auch Ungereimtheiten und Widersprüche der Erzählung angesprochen. Am Ende dieses Gesprächsabschnitts wird der/die KlientIn aufgefordert und unterstützt, seine/ihre Schilderung mit den entsprechenden Gefühlen anzureichern.
Die Dialoge zwischen konfrontierendem/-r BeraterIn und KlientenIn zeichnen sich in dieser Phase dadurch aus, dass jede Vermeidungstechnik, jede Bagatellisierung, jede Ungereimtheit vom/von BeraterIn direkt hinterfragt wird und er dazu weitere Konkretisierungen verlangt.
Zum Zwecke der genauen Beschreibbarkeit der Situation bedient sich der/die Konfrontierende immer wieder Zusammenfassungen und spezifizierender Nachfragen:
- „Was genau ist passiert, als…“
- „Wie muss ich mir das genau vorstellen?“
- „Soll das heißen, dass…“
- „Was haben Sie dann getan?“
- „Und dann, was ist dann passiert?“
Der/die BeraterIn achtet zu diesem Zeitpunkt darauf, dass der/die KlientIn sein/ihr Verhalten nur beschreibt. Rechtfertigungen, Erklärungen und Begründungen werden nicht zugelassen. Der Helfer besteht auf der Schilderung von Details und der Detaillierung von verallgemeinerten Eindrücken:
- „Was heißt, Herr Meier hat sich vor dir aufgebaut, was genau hat er gemacht, als du den Eindruck hattest, er baut sich vor dir auf?
- Er hat die Hand vor seine Brust genommen, sagst du. Wie sah die Hand aus? Wie hoch war sie? Mach mir das mal vor!
- Wie hat er da gestanden? Wie standen seine Beine?“
Nach oder auch schon während der Beschreibung des/der Klienten/In – vor allem dann, wenn diese/-r immer wieder Rechtfertigungen anführt – konfrontiert der/die BeraterIn den/die KlientenIn mit ihm/ihr bekannten oder vermuteten Ungereimtheiten, mit von ihm/ihr wahrgenommenen Fehlinterpretationen oder Realitätsbrüchen. Er/sie positioniert sich dabei sehr klar in seiner/ihrer Haltung zu den Schilderungen des/der KlientenIn:
- „Sie versuchen mir zu erklären, dass Ihre Tochter, ein dreijähriges Mädchen, Sie davon überzeugt hat, dass sie in dieser Nacht trotz einer akuten Ohrenentzündung gerne allein in der Wohnung sein wollte und Sie nur deshalb weggegangen sind. (Benennung der Ungereimtheiten),
- „Ich stelle mir das anderes vor, ….“ (Spekulation über die Realität),
- „Ich erkläre dir, warum ich ein anderes Bild von der Situation habe….“ (Erklärung der Spekulation).
Anschließend werden die Beschreibungen des/der KlientenIn zuerst mit dessen /deren eigenen emotionalen Erleben der Situation angereichert und weiter konkretisiert, danach mit dem Erleben von betroffenen Dritten.
- „Was hast du dabei empfunden in dem Moment, als du …(das und das getan hast, dies oder jenes gesagt hast?…)“
- „Sie sagen, Sie waren wütend …, auf wen?“
- „Was hat XY gesagt / getan?“
- „Was hat das XY wohl dabei empfunden?“
- „Ahmen Sie doch mal seine Stimme nach und sagen Sie das Gleiche…“
- „Woran haben Sie gemerkt, dass XY Angst hatte?“
- „Woran noch?“
- „Was glauben Sie, würde XY mir erzählen?“
- „Was glauben Sie, wie würde XY reagieren, wenn er Sie jetzt gehört hätte?“
- „Warum würde XY so reagieren?“
- „Wer würde noch so reagieren?“
- „Wie würde es Ihnen gehen, wenn XY oder Z jetzt hier wäre?“ ….
Der/die Konfrontierende gibt nun auch seine Haltung zu dem Gehörten preis:
- „Ich sag dir jetzt, wie es mir ginge, wenn ich du wäre und an diese Situation zurückdenken würde.“
- „Ich tu jetzt mal so, also ob ich XY wäre und sage Ihnen, wie es mir jetzt geht. “
(Technik des anonymen Doppelns)
In diesem Gesprächsabschnitt werden anfangs oft Generalisierungen oder Verweigerungen seitens des/der KlientenIn eingesetzt. Es wird vorgegeben, sich nicht zu erinnern oder angeführt, dass man, wie jeder andere auch, halt ziemlich sauer gewesen sei. Viele KlientenInnen spielen ihre Emotionen auch herunter; aus der Emotion „Ich war rasend vor Wut“ wird ein argloses „Ich war einfach ziemlich sauer“. Um diese Bagatellisierungen aufzuheben, kann der/die BeraterIn innerhalb des konfrontativen Gesprächs verschiedene Gesprächstechniken einsetzen. Er/sie kann die beschriebenen Gefühle dramatisieren und polarisieren. Er/sie kann sich der Skulpturarbeit bedienen, um die beteiligten Emotionen auf körpersprachlicher Ebene sichtbar und spürbar werden zu lassen. Auch psychodramatische Methoden, wie die „Hinter-dem-Rücken-Technik“6 können helfen, die tatsächliche Dramatik der Situation wieder in Erinnerung zu rufen. Welcher methodischen Ansätze sich der/die BeraterIn oder BetreuerIn auch bedient, er/sie muss sie gewissenhaft und sicher anwenden können und die Wirkung auf den/die KlientenIn genau im Auge behalten.
Die Konkretisierungsphase kann sich auch über mehrere Sitzungen hinziehen. Indikatoren dafür, dass sie Wirkung zeigt, findet man in den sich verändernden Aussagen und Haltungen der KlientenInnen. Eine Einsichts- und Haltungsänderung bahnt sich an, wenn
- sich Scham und Schuldgefühle einstellen (diese werden nicht immer explizit geäußert, oftmals brauchen die KlientenInnen dazu Hilfestellung des/der BeratersIn. Der/die BeraterIn normalisiert diese Emotion – nicht das problematische Verhalten!!! – und wird sie positiv umdeuten),
- die Klienten/Innen empathisch über die Situation betroffener Dritter sprechen können,
- die Klienten/Innen von ihren Neutralisierungstechniken abrücken,
- sie bereit sind, sich zur Verantwortung für Geschehenes zu bekennen (auch hier besteht der/die BeraterIn auf eine Konkretisierung: „Wofür genau fühlen Sie sich verantwortlich?“, „Vervollständigen Sie doch bitte den Satz: ‚Ich fühle michverantwortlich dafür, dass…!’“)
- die KlientenInnen das Bedürfnis nach Rehabilitation äußern und / oder eine klare und überzeugende Entscheidung formulieren, dass sie solche Situationen künftig vermeiden oder anders beantworten möchten (hier reicht es dem Berater nicht Sätzezu hören wie: „Das darf wirklich nicht noch mal passieren…!“. In diesem Fall muss wieder auf eine Konkretisierung hingearbeitet werden, wie: „Wem darf das nicht nochmal passieren?“, „Was genau darf Ihnen nicht noch mal passieren?“, „Wie würden Sie sich fühlen, wenn …. doch noch mal passieren würde?“).
Insbesondere beratungs- und betreuungserfahrene KlientenInnen wissen jedoch oft genau, was BeraterInnen hören möchten und formulieren zeitweise schon vor der tatsächlichen Einsicht bzw. Einstellungsänderung Aussagen, die als Indikatoren für eine erfolgreiche Konfrontation gelten könnten. Konfrontierende BeraterInnen äußern deshalb bei Skepsis authentisch ihre Zweifel und achten darauf diese Aussagen des KlientenInnen genau zu hinterfragen und vom ihm selbst konkretisieren zu lassen.
Dritter Schritt
Im dritten Schritt des konfrontativen Gesprächs wird mit dem/der KlientenIn gemeinsam auf hypothetischer Basis ein Gegenentwurf zum ursprünglichen Situationsverlauf konstruiert. Nur so kann verhindert werden, dass nach einer erfolgreichen, aber meist auch äußerst
anstrengenden Phase der Konkretisierung und Anreicherung als einziges Ergebnis das Gefühl von Verzweiflung und Ausweglosigkeit darüber bleibt, dass Vergangenes nicht ungeschehen gemacht werden kann.
Der/die BetreuerIn gibt deshalb dem/der KlientenIn die Gelegenheit mittels systemischer Techniken hypothetisch die Uhr zurückzudrehen, die Situation in ihrem Anfangsstadium noch mal vorzufinden und zu schildern, wie er /sie sich jetzt verhalten würde. Als Hilfestellung kann dem/der KlientenIn dienen, sich in die Situation eines anderen Menschen zu versetzen, der/die ihm/ihr nahe steht und gerade eine sehr ähnliche Situation erlebt hat:
- „Stellen Sie sich vor, Ihre beste Freundin kommt zu Ihnen und erzählt Ihnen….Was würden Sie Ihrer Freundin sagen wollen? Was würden Sie Ihrer Freundin raten? Was würden Sie Ihr vielleicht anbieten?“
Diese Technik bietet den Vorteil, dass die KlientenInnen auf Distanz zur eigenen Person gehen, dabei aber trotzdem neue Entschlüsse konkret formulieren können. Vor allem für KlientenInnen, die große Probleme mit drohendem Gesichtsverlust haben, eignet sich diese Methode für die vorangegangene Phase der Konkretisierung, wenn es um die Entwicklung von Empathie für Dritte geht. Hier kann der/die BeraterIn z.B. dazu auffordern:
- „Stelle dir Folgendes vor: Dein kleiner Bruder kommt nach Hause und erzählt dir (jetzt erzählt der Berater die Geschichte des Dritten) …. Wie würde es dir gehen, wenn Du Deinen kleinen Bruder so siehst, wie würdest Du reagieren, was würdest Du über XY (Einsatz eines Stellvertreters für die tatsächliche Rolle des Klienten) denken? ….“
Vierter Schritt
Der vierte Schritt in der Konfrontation beschäftigt sich mit der Übertragung des hypothetischen Gegenentwurfs in konkrete Vorhaben. Diese, von BeraterIn und KlientIn gemeinsam entwickelten, Maßnahmen dienen der konkreten – oft schrittweisen – Umsetzung
der gebotenen und geforderten Einstellungs- und Verhaltensänderungen des Klienten. In manchen Täter-Opfer-Konstellationen geht es hier auch um eine realistische Tataufarbeitung.
Die Vorhaben führt der/die KlientIn mit oder ohne Begleitung des Helfers bis zur jeweils nächsten Sitzung durch. Die Vorhaben können unterschiedlich gestaltet sein: Der/die KlientIn kann beispielsweise jemanden um eine Aussprache bitten, einen Antrag auf eine bestimmte
Jugendhilfemaßnahme in die Wege leiten, dem anderen Elternteil eine Konzession im Umgangsrecht gewähren, etc. Auch der Entwurf dieser Vorhaben wird solange im Detail ausarbeitet, bis ein realistisches, greifbares und konkretes Handlungspaket für den/die KlientenIn
entstanden ist.
Fünfter Schritt
Der konstruktive Gesprächsabschluss mittels eines abschließenden Feedbacks ist der fünfte und letzte Schritt eines Konfrontativen Gesprächs. Kinder und Jugendliche haben – genauso wie Erwachsene – nach eingestandenen Fehlern das Bedürfnis, sich in den Augen „Dritter“ zu rehabilitieren. Im Setting der Beratung oder Betreuung steht der/die BeraterIn für diese „Dritten“. Deshalb ist es wichtig zum Abschluss jedes Gespräches, dem/der KlientenIn eine Rückmeldung zu geben. Der/die KlientIn soll mit der Gewissheit die Sitzung verlassen können, dass er/sie weiß, was die Fachkraft jetzt über ihn/sie denkt. Sie soll nicht spekulieren müssen, was sie von ihm hält, sondern es wissen. Die Fachkraft gibt ihm/ihr deshalb eine Rückmeldung darüber,
- wie sie ihn/sie im Verlauf der Sitzung erlebt hat,
- was ihr imponiert hat,
- was sie beunruhigt hat oder noch Kopfzerbrechen bereitet,
- was sie besonders berührt hat,
- was sie motiviert (hat), mit ihm/ihr weiter zu arbeiten.
Mehr denn je ist nach dem konfrontativen Gespräch eine anteilnehmende, aber auch eine die „warme-Distanz-wahrende“ Berater-Klienten-Beziehung wichtig.
Zu dieser professionellen Beziehung gehören Achtsamkeit und Empathie, Anerkennung und Wertschätzung genauso dazu, wie das Aussprechen von Kritik oder auch Trost und die Ermunterung und die Überzeugung, dass der/die KlientIn sich ändern kann. Diese Faktoren
bereiten die Grundlage dafür, weiter gemeinsam mit dem/der KlientenIn die vereinbarten Vorhaben zu verfolgen, seine/ihre Fortschritte zu würdigen und Rückschritte zu reflektieren, diese in neue Erfahrungen umzumünzen und dementsprechend die Umsetzung fortzuschreiben.
Autorin:
Dagmar Cordes
Dipl. Sozialpädagogin (FH)
www.institut-kompass.de
Dagmar.Cordes [at] t-online.de
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1 Das AAT wird primär in der Justiz, das CT vor allem in der Jugendhilfe und in der Schule eingesetzt. Beide Methoden stellen deliktspezifische Trainingsmaßnahmen für Mehrfachtäter dar. Sie unterliegen spezifischen Qualifikationen und Qualitätsstandards. Die Trainings erstrecken sich in der Regel über ein halbes Jahr und beinhalten wöchentliche Gruppensitzungen, sowie Einzelgespräche.
2 Beim sogenannten ‚Heißen Stuhl’ sitzt der Täter in der Mitte eines Stuhlkreises. Dort wird er mit seinen inakzeptablen Verhaltensweisen und den Folgen für die Opfer konfrontiert, wobei ein harter verbaler Schlagabtausch durch die Gleichaltrigen und Trainer gewollt ist. Der ‚Heiße Stuhl’ ist lediglich ein Modul im AAT/CT.
3 Aktion Jugendschutz, Landesarbeitsstelle Bayern e.V.: „Damit kommst Du nicht durch…“: Die konfrontative Methodik…im pädagogischen Alltag, S. 9f.
4 Baumrind, D.: Child care practices antecending three patterns of preschool behavior. In: Genetic Psychology Monographs 75/1967, S. 43–88.
5 Weidner, J.: Konfrontative Pädagogik. Erziehung-ultima-ratio im Umgang mit Mehrfachauffälligen. In: Sozialmagazin, Weinheim: Juventa; 27 (2002); Nr. 2; S. 39-45.
6 Bei dieser Technik monologisiert der Berater laut über die vermuteten Emotionen des Klienten, als wäre dieser nicht mehr anwesend.